Gedichte

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Es läuft doch alles. Gedichte 1964-2019 ist 2019 im XS-Verlag (Berlin) erschienen. Ergänzt wird die Auswahl durch Fotografien aus dem Lyrikfilm „Im toten Park“ (Silberstein Produktion 2019), der auf den Gedichten basiert.

 

Immer im Jenseits

(Ärzte und Theologen müssen sterben.
Psychiater werden verrückt.
Sprachforscher werden stumm.
Polizisten werden kriminell.)

Aber
wenn der Amtsstern des Sheriffs blinkt
im Shoo Fly Saloon, Carson Street
in Escalante,

aber
wenn der Führer dem Pimpf Hans
und dem blonden Mädel Hildegard
den stahlblauen Blickstrahl
in die Seele sticht,

wenn Che Guevara, noch,
auf dem Poster triumphiert
dann brechen die Nachtigallen,
diese entschlafenen,
ihre betörenden Harmonien
immerfort übers Knie.

 

Staatstragend

Zeitweilig zweiteilig,
ständig mit Kontrast befasst.
Die momentane Interessenlage
bedingt Inanspruchnahme
sämtlicher Reserven.

So, schon wieder Bad Pyrmont.
Früher nicht gekonnt.
Früher gab es keine Nerven.

Autoschlange
beißt von vorne manchmal, meist
von hinten, Zivilisationserscheinung,
Klangeffekte beim Verkehrsunfall.

Wohnkultur, Hygieneinstitut, ja Grünanlagen.
Nörgler
wird es immer geben.
Füttern wir sie ruhig mit.

 

Abschiedstango

Von dir will ich, weil du bald nicht mehr bist,
erinnrungshalber einen Amethyst,
blasslila wie ein Fingernagelbett
und nicht zu klein, du kleiner Pessimist
Dann bleibt etwas von dir. Ach sei so nett.

Von mir muss, nichts von mir muss bleiben.
Und lieber tot als nett.
Uns trennen unsichtbare Fensterscheiben,
von beiden Seiten hell, von beiden violett.

 

Frühe Blicke

So maß der Metzger Meerkamp, Willi senior,
das Schwein mit Tötungsblick.
Das Quieken reizte ihn zur Wut.
Er traf. Er schnitt das jämmerliche Höchst-
gequieke ab und stand, im Dampf
erhitzt und blutbespritzt. So stand er.

Was war es, das ich nicht mit fünf
schon wusste, spätestens mit sechs?
Die Ur-Oma lag aufgebahrt, der schwarze
Knoten Haar saß hart am Kopf.
Die Mücken tanzten eine wirre Ordnung.
Unlesbar auch die flinke Schrift der Blitze.

Sie weinten nicht, die Unterlippe zuckte, nein,
die Lippen ruckten kurz zusammen.
Sie hatten mich gesehn und sahn mich nicht
und zeigten, wie man Tränen hemmt,
die gar nicht fließen wollen.

 

Spurlos

Ans Ohr eines Himmels wird es nicht dringen
was du verspeist und verdaust und ob dir die Liebe gelächelt
mit zärtlicher Wimper

Dein Kreppsohlenmuster im Schnee ist dem Frühling
nicht mehr geläufig, und was du an Spitzen versprühst,
geistreich und fein, geht in den Stimmen der Keller-
gewölbe nieder als Nebel

Rhythmisch zucken Arenen und Szenen, der Hartstrahl
des Glückes schreibt seinen Endsieg

 

Im toten Park

Ich weiß schon: dieser Park ist tot,
von Kindern leer, von Hunden verkackt,
die Ulmenreihe abgehackt,
der Blutbuche Blätter schwarzbraunrot

jetzt packpapierbraun und regenplatt.
Die Pfützen spiegel ungenau
vergiftete Tauben taubenblau
und Wolken. Ihre Farbe hat

die Farbe verloren. Am ehesten weiß.
Ich weiß nicht, was mich hergelockt
und den und jenen, der hier joggt.